2023 Eine kleine Osteuropareise

25.07.: Wilsche-Torun

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Endlich Urlaub denke ich mir. Anfang des Jahres waren noch eine Menge Dienstreisen zu absolvieren, Messdaten auf Arbeit auszuwerten und aller möglicher anderer Kram zu tun. Nun waren zwei Wochen frei. Anfang des Jahres war uns dann noch eine Stemme zugelaufen, die hinten geduldig in der Halle wartet. Zwei Wochen Urlaub, die Stemme in Griffweite, hmmm das bringt einen auf Ideen. Wandersegelflug ist eine, die da sofort ganz oben steht. Vereinsmitglied Oliver hat das ja schon ein paar mal mit der DG400 unternommen (2017, 2020 und 2022) und Maurice hat dieses Jahr gezeigt, dass es auch mit einer LS8 ohne Motor geht. Ich wollte das eigentlich auch schon ewig mal probieren, noch dazu, da der Verein dann 2015 den Arcus als Eigenstarter gekauft hat, aber irgendwie kam die Entscheidung dennoch nie zusammen. Dieses Jahr war die Stemme dann der ausschlaggebende Punkt. Das Expeditionsschiff kann mit dem Viertaktmotor am Boden bewegt werden, aus eigener Kraft starten und wenn das Wetter mal nicht mitspielt, kann man im Reiseflug auch problemlos mehrere hundert Kilometer überbrücken. Das ist das schlicht perfekte Gerät dafür. Also Attacke!!

Eigentlich war der Plan, die gesamten zwei Wochen des Urlaubs zu nutzen, aber das Wetter ist vom 22.07. bis zum 24. echt widerlich. So muss ich den Plan, nach Anklam zu fliegen, mir da die Museen anzuschauen und mit einem Kunstfliegerkollegen mit dem Puchacz zu turnen, auf ein anderes Mal verschieben. Dienstag, den 25.07. deutet sich dann eine dünne Wetterlage nach Osten an, die sich nutzen ließe. Also wird gepackt. Wie Maurice mit der LS8 nutze ich den Flügel als Ablage für allen möglichen Kram. Da ich allein unterwegs sein werde, ist Platz in der doppelsitzigen Stemme kein ernster Lastfall, so dass auch Lieblingsdecke und Kuschelkissen noch mitkommen.

Kram zusammensuchen

Als erstes Ziel wird Torun auserkoren, wo genau zu dieser Zeit die Trainngswoche der Segelkunstflugweltmeisterschaft stattfindet. Der Veranstaltung kann ich ja mal einen Besuch abstatten, zumal man sich ja eh gut kennt und, da Vereinsmitglied David vor Ort ist, auch der eigene Wohnwagen als Übernachtungsmöglichkeit lockt. Also geht es irgendwann am Nachmittag los. Geplante Flugzeit sind knapp 6h mit reichlich 500km Distanz. Leider ist das Wetter etwas mieser, als angesagt. In Wilsche ist die Front gerade durch, als es schon wieder anfängt, dicht zu machen. Aus Polen berichtet David Basishöhen um die 600m, so dass sie dort vor Ort auch kein Training haben... Na mal sehen, wie das läuft. Ich rechne mit viel Motorzeit und kippe noch einen 20l Kanister in den Tank...

Nach etwas Motorzeit sehen die Wolken ganz brauchbar aus

Derweil hab ich mich bei FIS angemeldet und zu Trainingszwecken mal einen Flugplan aufgegeben. Der Lotse gibt mir ein QNH von 1007. Das sind eindeutig Tiefdruckbedingungen, also frage ich mich, was ich hier eigentlich gerade beginne? Segelflugbedingungen sind da eher nicht zu erwarten, aber das Wetter geht erst einmal. Mit 20km/h Wind von hinten, einigermaßen Einstrahlung und labiler Luft kann man sich ganz gut ohne Motor weiterarbeiten. So führt die Strecke nördlich an der Luftraumkante von BER entlang. So nah kam man Berlin früher nie, als Tegel noch aktiv war...

Berlin unter dem Flügel, da zieht es schon wieder zu

Der Fernsehturm von Berlin

Im Norden von Berlin kann ich dann noch eine Reihung zum Weiterkommen nutzen, aber die ist dann irgendwann zu Ende. Also geht die Kämpferei los. Bei Neuhardenberg steht über einem großen Solarfeld der letzte Bart, mit dessen Hilfe ich mich wieder auf Arbeitshöhe ausgraben kann. Ab dann geht es nur noch nach unten und hinter der polnischen Grenze ist der komplette Himmel bedeckt. Irgendwo vor einem riesigen Waldgebiet, wovon es in Polen echt genug gibt, gebe ich dann in etwa 600m auf. Es gibt keinen Grund, noch tiefer zu gehen, wenn es erkennbar keine Thermik mehr hat und die nächsten Wolken sicher 20km weit weg sind. Also wird der Motor angeworfen und die Stemme brummt weiter.

Alles dicht und keine Thermik mehr. Ein Glück, dass es den Motor gibt

Nach einiger Zeit ist die Abschirmung durchflogen und es gibt wieder ein paar Thermikwolken. Da mich der Kurs jedoch direkt über die Flussaue der Netze, auf polnisch Noteć, führt, ist hier auch kaum Steigen. Da der Schnitt vorher auch nicht so berauschend war, lasse ich den Motor laufen, damit es nicht zu spät wird. Was dabei auch auffällt, wie breit die Aue ist. Polen ist so weit im Norden wirklich tischeben. Das kennt man ja schon aus Norddeutschland, kommt einem hier aber noch intensiver vor.

Die Netzeaue: Dunkelgrün und wolkenlos

Weiter auf Kurs muss ich noch um den Luftraum von Bydgoszcz herum, bevor ich mich in Torun anmelde. Dort ist inzwischen auch die Bewölkung angestiegen und ein wenig Trainingsbetrieb. Ich sortiere mich hinter die Schleppmaschine und den im Queranflug befindlichen Swift ein und lande. Platz ist hier auf dem alten ehemaligen Militärplatz, dessen Historie bis 1915 zurückreicht, weiß Gott genug. Also stelle ich die Stemme auf eine freie Grasfläche vor den Hallen.

Angekommen...

Von da aus bin ich neugierig und gehe zum Start. Achja, da ist ja unser Swift, das andere Spielzeug, auf dem David hier seinen Spaß haben darf :-)

Der Swift am Start

Es sind die letzten Flüge für heute und danach helfe ich noch beim Halle einräumen, bevor ich vom Deutschen Team mit einem Bier in Emfang genommen werde. Die Augen sind groß, da mit meiner Anwesenheit keiner gerechnet hatte. Du? Hier?? Mit der Stemme??? Es sollte ja eine Überraschung sein. Die war gelungen :-) Etwas Käsespätzle hatten sie auch noch übrig :-)

26.07.: Eröffnung der Weltmeisterschaft

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Tags darauf versprechen die Wetterberichte wenig streckenflugtaugliches Wetter und auch für das Kunstflugtraining sollen die Wolken erst gegen Mittag ausreichend hoch sein. Entsprechend wird am Abend davor etwas mehr gefeiert. Daher geht heute fliegerisch nicht viel über die Bühne, außer dass ich noch einen kurzen Flug mit einem der Kunstflieger aus dem deutschen Team unternehme. Der liebäugelt auch mit einer Stemme und weicht dem großen Schiff kaum von der Seite, bis wir das Gerät auspacken und eine Runde durch die Umgebung von Torun brummen. Sogar ein wenig Thermik gibt es...

Am Nachmittag kommt dann die Eröffnung des Wettbewerbs. Dazu haben die Veranstalter eine ganze Halle lergeräumt. Vorab gibt es noch den Fototermin mit dem deutschen Team, den ich auch nutze...

Team Germany @ WGAC & WAGAC

Danach geht es los mit dem offiziellen Teil und alle Teams rücken in die Halle ein. Es folgen die Ansprachen der Offiziellen der WM, aus der polnischen Politik und vom polnischen Aeroklub. Leider ist mein polnisch etwas eingerostet, so dass man ohne Übersetzung kaum etwas versteht, was da eigentlich erzählt wird, aber man kann es sich von anderen Veranstaltungen zusammenreimen. Am Ende spricht noch der Wettbewerbsleiter und wünscht allen einen unfallfreien und fairen Wettbewerb.

Alle Teams in der Halle versammelt

Und hier noch einmal vor der Halle

Nach der offiziellen Eröffnung gibt es für alle noch ein Abendessen in der Halle. Danach ziehen wir uns ins Camp hinter den Hallen zurück. Heute geht der Abend nicht mehr lange, da morgen das Wetter mitspielen soll. Für die Teilnehmer der WM ist es der erste Wertungstag und ich beschließe, weiterzuziehen, auch wenn ich von allen Seiten agitiert werde, doch noch ein paar Tage zu bleiben. Leider ist die Aussage der Wetterberichte jedoch eindeutig. Morgen komme ich aus Torun weg, die Tage danach sieht es dagegen düster aus. Aber erst einmal ausschlafen...

27.07.: Torun-Mikulovice

Geschrieben von Webmaster am .

Guten Morgen am Donnerstag, dem 27. Juli 2023. Heute sind gute Bedingungen für einen Segelflug Richtung Süden angekündigt. Es ist zwar nur ein schmales Band in Ost-Westrichtung, aber das gilt es zu nutzen. In den kommenden Tagen soll es im Wesentlichen Regen in Torun geben, so dass ich dann nicht mehr wegkäme. So sieht die Route nach Süden nach einem schönen Streckenflug aus. Da mein Ziel ohnehin ist, von da aus ggf., wenn das Wetter mitspielt, Richtung Süddeutschland zu gehen, nehme ich das gern an. Tagesziel ist Tschechien und was liegt da näher, als Mikulovice zu nehmen? Den Platz kenne ich schon seit Jahren, da wir da immer zum Wellenfliegen im Herbst vorbeischauen. Zudem machen die dort gerade, wie mir Organisatorin Vlasta Lasovska beim Telefonat am Morgen erzählt, ein kleines tschechisch-polnisches Fluglager, das die Woche in Mikulovice stattfindet und kommende Woche in Opole weitergeht. Prima, das passt doch gut, dann bin ich da nicht allein. Also los.

Anfangs ist die Basis noch nicht so hoch, aber es geht ganz gut

Direkt nach dem Start fliege ich ein paar km weg von Torun, damit ich den Wertungsflügen nicht in die Quere komme. Direkt am Stadtrand gibt es dann den ersten Bart über einem Autobahnkreuz, den ich ausfliegen kann. Von da aus muss ich um ein paar Militärlufträume herum, aber dann ist der Weg nach Süden im Wesentlichen frei. Der Wind von vorn verzögert den Schnitt etwas, aber insgesamt komme ich gut voran. Es gilt, reichlich 300km bis Mikulovice zu absolvieren.

Weiter auf Kurs komme ich dann an einem riesigen Fluss vorbei. Das ist die Weichsel, die hier, dank des geringen Gefälles der Gegend, ziemlich breit ist. In Torun ist sie deutlich schmaler...

Die Weichsel knapp 100km südlich von Torun

Weiter geht die Reise Richtung Süden. Den Schnitt bekomme ich kaum über 90km/h, da erstens der Wind von vorn weht und zweitens auch heute kaum wirkliches Hochdruckwetter vorhanden ist. Daher gehen von den Wolken längst nicht alle und man muss immer mal mit mäßigen Steigwerten Vorlieb nehmen. Ansonsten wundere ich mich über die vielen kleinen, langen und schmalen Felder. Eigentlich hätte ich es eher wie in Ostdeutschland erwartet, wo viele Felder in Genossenschaften zusammengefasst wurden. Entweder gab es das in Polen nie oder man hat es nach dem Ende des Sozialismus wieder rückgängig gemacht...

Lauter schmale Handtuchfelder...

Je weiter ich komme, desto gelber und trockener wirkt die Landschaft. Offenbar hat es hier auch noch nicht so viel geregnet dieses Jahr. Leider gibt es noch einen anderen Trend: Die Front, die morgen in Torun sein soll, steht schon dick in Deutschland und schwappt auch von der tschechischen Seite schon nach Polen herüber. Es sind noch knapp 100km bis Mikulovice, aber man merkt die Abschirmung schon deutlich. Mit dem Wind ist es eine arge Bastelei, Thermik zu finden und sich wieder hochzuarbeiten. Das letzte nutzbare Steigen bis auf 1700m über Grund findet sich irgendwo weit östlich von Breslau. Danach gibt es zwar immer mal wieder Geblubber, aber nichts wirklich brauchbares. Ein paar besser aussehende Wolken gibt es noch im Südosten über den Waldgebieten, aber die sind weit weg für meine Höhe. Also probiere ich es an den Waldkanten. Das geht immer mal ein paar Meter hoch, aber es kommt nichts, mit dem ich die dicke Stemme wieder auf Arbeitshöhe bringen kann. Irgenwann in knapp 700m über Grund ohne thermische Optionen im Segelflug gebe ich, diesmal über einem riesigen Feld an der Oder, das gerade abgeerntet wird, auf und packe den Prop aus seiner Garage. Der Motor springt auch sofort an und die letzten 70km Richtung Mikulovice müssen mit Fossilthermik absolviert werden.

Eine Menge Abschirmungen: Motor an...

Mit 160-170km/h brummt man mit der Stemme mit einem entspannten Powersetting vor sich hin und kommt gut voran. Kurz danach sind die drei Stauseen um Nysa zu sehen. Aus der Höhe wirken die echt groß...

Nysa und die Stauseen im Hintergrund

Von da aus ist es nicht mehr weit, so dass ich den Motor wieder abstelle und den Prop wegpacke. Jetzt ist der Flugplatz in Sichtweite.

Der Flugplatz Mikulovice

Einige Flugzeuge schwirren hier noch herum, aber die meisten sind schon wieder unten. Es ist echt was los hier und auch Anhänger stehen eine ganze Menge da. Mal sehen, wo ich das große Schiff parken kann... Doch Vlasta steht schon unten am Vereinsheim und nimmt mich in Empfang. Ich kann die Stemme direkt neben den Rollweg stellen, wo sonst immer schon der Arcus im Winter steht. Wir müssen das Flugzeug ja schon an seinen kommenden Einsatzort gewöhnen ;-)

Gelandet in Mikulovice

Heute passiert dann nicht mehr viel. Ich bin noch eine Weile mit Hallo sagen beschäftigt, muss Fragen zur Stemme beantworten, da die hier noch keiner kennt und mache mich dann auf den Weg zum Aviatik Apartments, wo man kaum einen Kilometer weit entfernt wunderbar übernachten kann. Dort gönne ich mir ein paar Rippchen, tschechisches Bier und komme auch mit ein paar Teilnehmern des Camps hier in Kontakt. Irgendwann kurz vor 2300 ist Zapfenstreich und Zeit zum Schlafen. Morgen liegt erst einmal nichts an, da das Wetter eher nach Regen aussieht...

28.07.: Ein Tag Mikulovice

Geschrieben von Webmaster am .

In der Nacht kam ordentlich Wasser vom Himmel, so dass ich nicht davon ausgehe, dass heute viel los sein wird. Irgendwann reißen die Wolken auf und man beginnt vor Ort, den Start aufzubauen. Es kommen sogar ein paar interessante Wolken zum Vorschein und einmal kurz lugt ein kleiner Lenti durch die tiefe Bewölkung. Petr, Ehemann von Vlasta will unbedingt eine Runde mit der Stemme drehen.

Tiefer Matsch und ein kleiner Lenti

Also bereiten wir das Gerät vor und rollen an den Start. Da ich die gesamte Startbahnlänge haben möchte, gehe ich von der Südseite raus. Leider ist da der Platz recht weich, so dass wir ziemlich tief rausgehen. Am Ende gibt es auch noch ein wenig Thermik, aber man kann sich kaum darin halten, da es alles sehr tief ist. Der kleine Lenti ist wieder weg und ich verwerfe die Idee, mit Motorkraft über die Wolken zu steigen. Kurze Zeit später sind wir wieder unten.

Vitja, der Schlepper vor Ort, ist natürlich auch dabei und winkt mir zu, als wir uns an der Tankstelle treffen. Nach der aktuellen Wettervorhersage ist morgen mit etwas thermischen Bedingungen zu rechnen, aber dann kommt wieder dickes Mistwetter. Also bereite ich das Flugzeug heute schon vor, dass ich morgen gleich los kann...

Vitja in der Zlin bereit für alle Schlepps der Welt

Den Nachmittag kann man dann noch das Wetter und die Sonne genießen, aber fliegerisch verpasst man wenig. Selbst die alten Jantar 2b, die mit einer deutlich kleineren Flächenbelastung unterwegs sind verglichen mit der Stemme, fallen wieder herunter. So nutzen wir die Zeit lieber zum Erzählen.

Am Abend werfen wir dann gemeinsam den Grill an. Die Tschechen feiern den Wochenabschluss und der Plan ist, morgen im Laufe des Tages nach Oppeln zu verlegen. Nicht wenige wollen fliegen...

Grillen und frisches Fassbier

Ich unterstütze beim Grillen und verdiene mir so noch ein paar Würstchen und einen Humpen Bier. Daniel, der hier fliegt, aber in Österreich studiert, bringt dann noch ein paar irre Ideen ein. "Oben vom Dach des Vereinsheims kann man wunderbar in die Landschaft schauen und den Abend genießen" spricht er, als er mit einer Teleskopleiter ankommt. Irgendwie kann ich mich dem Blödsinn ja auch selten verwehren, also klettern wir da hoch. Einen Fotoapparat haben wir auch noch dabei, so dass er mich in der Abendsonne mit der Stemme am Boden ablichtet...

Foto auf dem Dach des Vereinsheims

Danach kommt noch der spannende Teil: Man muss wieder herunter und hat hinten keine Augen. Früher bin ich jedoch auch überall herumgeklettert, so dass das kein Thema ist. Grinsend sehen wir uns die Bilder an und verbringen den Rest des Abend mit Geschichten erzählen.

29.07.: Mikulovice-Reinsdorf

Geschrieben von Webmaster am .

Morgen Nummer zwei in Mikulovice und man schläft echt gut im Aviatik. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Wettervorhersagen für heute und die kommenden Tage an. Leider bestätigt sich das ungute Gefühl, das die gesamte Zeit schon exisitiert. Wie war das mit 1007hPa? Tiefdruck allerorten und entsprechend mies und unbeständig ist das Wetter. Egal wo man wann hinschaut - es gibt keine Perspektive. Skysight, Topmeteo und der DWD sind sich ausnahmsweise mal einig, es wird besch...

Also was tun? Meinen Plan, von Mikulovice aus Richtung Süddeutschland weiterzuziehen kann ich komplett verwerfen, da in den kommenden Tagen in der Gegend keine nutzbaren Bedingungen zu erwarten sind. Auch die Idee, dem LSV Gifhorn beim Fluglager in Suhl im Thüringer Wald zu besuchen lasse ich fallen. Der steht im Südstau in den Wolken und in den letzten Tagen ist dort auch nicht mehr als ein wenig Hangflug möglich gewesen. Streckenfliegen konnte man da glatt gar nicht. Wie also weiter?

Einen kleinen Ausweg bietet der heutige Tag. Das grobe Mistwetter soll heute noch an den Bergen an der tschechisch-polnischen Grenze hängenbleiben, so dass heute auf der Nordostseite von Altvater- und Riesengebirge ein wenig Thermik vorhanden sein soll. In Deutschland werden dann Gewitter und Schauer angedroht, ohne dass sie sich komplett zu Linien verdichten sollen. Da es die kommenden Tage noch schlechter aussieht, beschließe ich, den Abstand zum Heimatplatz zu verkürzen. Streckenplan ist, auf der Nordostseite der Berge in der polnischen Tiefebene bis nach Görlitz zu kommen und dann zu schauen, wie weit man dann noch zwischen den Schauern Strecke machen kann. Ziel wäre eventuell Reinsdorf oder Lüsse, von wo aus am Sonntag auch noch ein paar dürftige thermische Bedingungen vorhanden sein sollten. Kommt man da nicht an, kann man unterwegs immer noch in Görlitz, auf den Plätzen in der Lausitz, in Pirna oder irgendwo sonst landen.

Also los, getankt hatte ich ja gestern schon. Der Start auf der Nordseite des Platzes, wo der Untergrund härter ist, fühlt sich dann auch gleich viel besser an. Wie erwartet ist die Luftmasse warm, schwül und suppig. Das riecht nach allem anderen als guten thermischen Bedingungen aber besser wird es absehbar nicht, also nehme ich, was ich kriegen kann.

Mäßige Thermik bis kaum 1000m über Grund und nur jede dritte Wolke geht, gut ist anders

So bastele ich mich nach und nach an den Bergen vorbei. Die Perspektive ist wirklich ungewohnt, normalerweise sind wie hier immer mindesten 2000m höher und die Berge nicht höher, als man selbst. Aber naja. Sprit habe ich ja genug dabei, die Strecke notfalls komplett mit dem Motor zu absolvieren, aber der Ehrgeiz ist schon da, den Verbrauch zu minimieren. Das gelingt auch soweit ganz gut, auch wenn ich gefühlt immer nur in einem Meter pro Sekunde Steiggeschwindigkeit im Paterre herumrühre und dabei ordentlich ins Schwitzen komme. Das ist der Nachteil am großen Cockpit der Stemme: Bei der warmen und feuchten Brühe fühlt es sich dann an, wie im Gewächshaus.

So arbeite ich mich geduldig bis an das Südostende des Eulengebirges, wo ich in kaum 600m ankomme. Da hängen über den Bergen ein paar Wolken herum, aber je weiter ich nach Südwesten schaue, desto dicker erscheint der Dreck. Da braucht man wirklich nicht hinzufliegen, also muss ich hier nach Thermik schauen. Zudem kommt auch der Wind aus West bis Südwest, was ein Lee hinter den Bergen bewirkt. Zu nah darf man also nicht heranfliegen, zumal auf dem Nordosthang nicht so viel Sonne steht, als dass da Leethermik herauskommen könnte. Nordöstlich der Berge ist aber Bewölkung erkennbar, die thermisch aktiv aussieht, also fange ich da mal an zu suchen.

Einfach ist es nicht, die Aufwinde zu zentrieren. Der Wind ist da und das Steigen ziemlich zerrupft. Irgendwie kann ich langsam aber sicher Höhe gewinnen und je mehr ich davon bekomme, umso mehr vernehme ich einen charakteristischen Geruch in der Nase: Diese Art von Turbulenz und Zerrissenheit ist keine Thermik mehr, hier ist noch was anderes im Gang. Hatte ich nicht den Südwestwind erwähnt? Irgendwie passt alles zusammen: Die Wolken über den Bergen, die sich dann auflösen, die Wolkenlücke und eine Wolkenwurst im Lee der Berge, deren Steigen sich eher nach Rotor anfühlt, als nach Thermik. Aber es ist doch Sommer, mag der geneigte Leser dieser Artikel denken? Da gibt es doch keine Wellen, da die Thermik zu aktiv ist? Nunja, ab und an reicht es schon, dass die Luft darüber ins Schwingen kommt, wenn die Thermik die Berge nicht komplett vereinnahmt. So auch hier. Einmal neugierig geworden muss ich das erstens erforschen, was hier los ist. Zudem käme mir etwas Welle gelegen, um den Schnitt und den Aktionsradius hochzutreiben. Also probiere ich es, gegen den Wind ins laminare Steigen zu kommen und - Treffer!

3m/s Steigen luvseitig der Wolkenwurst, Welle Ahoj!!

Grinsend sitze ich im Cockpit und weiß kaum wohin mit meiner Freude über die unverhoffte Welle. Es geht anfangs mit 3m/s hoch, lässt dann oberhalb von 2000m MSL aber an der Stelle nach. Auch die Windanzeige des Navigationsgerätes geht nun zurück. Aus der Höhe sieht man genau, was los ist. Die Föhnlücke ist nicht zu übersehen.

Links das Eulengebirge, rechts die Rotorwurst

Weiter geht es Richtung Riesengebirge

Da hier nun kaum mehr etwas zu holen ist, die Schauer in Deutschland mit zunehmender Tageslänge aber heftiger werden dürften will ich hier nicht zu lange die Aussicht genießen. Etwas weiter im Nordwesten findet sich noch eine Stelle, die man fast wie Thermik bis 2400m kurbeln konnte. Ich vermute mal, dass das mit einem hydraulischen Sprung in der Nähe in Verbindung stand. Das hatten wir vor Jahren schon einmal direkt über dem Serak und konnten es uns kaum erklären. Hier aus der Höhe ist direkt zu sehen, dass in Tschechien alles zu ist. Da habe ich offenbar keine allzu falsche Entschidung getroffen, auf der ponischen Seite der Berge zu fliegen.

Dicke Bewölkung Richtung Adlergebirge im Südwesten

Weiter geht die Reise, nun in einem angenehmeren Temperaturbereich mit besserer Aussicht. Eine Weile kann ich entlang Waldenburg noch tragende Linien nutzen, aber an der Südostecke des Riesengebirges muss ich einsehen, dass der Weiterflug im Segelflug nicht ganz einfach wird. Etwas Anflughöhe habe ich auf Jelenia Gora, aber sonst ist die Gegend direkt im Lee des Riesengebirges ziemlich schlecht landbar. Mit knapp 1300m MSL bin ich auch schon deutlich unter Hanghöhe des Gebirges, weswegen es auch nicht ganz einfach wird, da einen Rotor einzufädeln und Rotorbewölkung auch nicht so richtig eindeutig auszumachen ist. Als letztes gibt es jetzt hier auch noch einen Luftraum bis FL85, so dass ich nicht direkt an die Leeseite der Berge herankomme. Also lasse ich nichts anbrennen und werfe einmal mehr den Motor an und arbeite mich am Riesengebirge und dem Luftraum vorbei. Nordwestlich des Riesengebirges befindet sich dann das Isergebirge. Dort sieht es eher nach Rotorzeichen aus und ich stelle den Motor ab. Wie erwartet, geht es da wieder im Segelflug hoch...

Steigen in der Welle des Isergebirges

Man merkt jedoch, dass die Feuchte hier schon deutlich höher ist. Wolken gibt es überall, was den Vorteil hat, dass man sich in den Lücken einfach orientieren kann, wo die Steiggebiete sind. Also lasse ich mich nach und nach auf mehr als 2700m über dem Meersspiegel hochhieven.

Ausgeprägte Föhnlücke im Isergebirge

Irgendwann geht die Welle dann erstens aus und zweitens habe ich mich auch nicht um eine Einzelfreigabe zum Steigen über FL95 bemüht. Wie gesagt, Ziel ist ja, wieder Richtung Wilsche zu kommen. Also nehme ich die Höhe gern mit und fliege weiter. Auch wenn es am Anfang nicht so aussieht, gibt es, da es weiterhin Wellen hat, immer wieder Lücken in den Wolken, an denen man entlangfliegen kann. Steigen bringen die keines mehr, aber immerhin reduziertes Sinken, so dass ich den Segelflug versuche zu strecken, wo es geht.

Es sind weiterhin Wellen zu erkennen

Vermutlich löst der Jeschkenkamm auf der tschechischen Seite hier die Wellen aus. Den erkennt man anhand des raketenförmigen Hotels auf seiner Spitze immer sehr gut, wenngleich er heute durch die Wolken nicht zu sehen war.

Blick auf mehrere Wolkenstockwerke

Entgegen der Erwartung steigt der Bewölkungsgrad kaum weiter an, je weiter ich in Richtung deutsche Grenze komme. Irgendwann sehe ich Görlitz unter mir. Leider bleibt die Bedeckung in den hohen Stockwerken sehr hoch, so dass ich im Moment kaum Hoffnung auf fortgesetzten thermischen Streckenflug habe. Schauen wir mal weiter.

Görlitz mit dem Flugplatz oben im Bild

Grund zum Landen gibt es in Görlitz erst einmal keinen, also gleite ich weiter die Höhe ab. Das klappt dann bis zu einem Punkt zwischen dem alten Militärplatz Rothenburg bei Görlitz und dem Kraftwerk Boxberg, als sich thermisch kaum etwas regt. Da die Gegend um das Kraftwerk von kaum landbaren Tagebauen und nur wenigen kleinen Feldern gesäumt ist, gehe ich kein Risiko ein und befreie zum vierten Mal an diesem Tag den Propeller aus seiner Garage. Brummend setzt die Stemme die Reise Richtung Reinsdorf fort, wo ich heute eigentlich landen will. Derweil sind nach Dresden schon die ersten Schauer zu sehen. Auf Kurs ist erst einmal noch alles frei, also fliege ich mit Motor weiter.

Erste Schauer im Südwesten

Weiter auf Kurs muss ich bei Bronkow schon einen Schauer umfliegen, damit der Propeller nicht nass wird. Das mag der gar nicht... Irgendwie hoffe ich noch, mich bis Reinsdorf durchschlagen zu können. Einen kurzen Blick auf den Platz erhasche ich dann noch, aber mit zwei Wolkenbrüchen direkt daneben traue ich es mir definitiv nicht, da reinzufliegen.

Da hinter dem Schauer muss ich hin...

FIS, wo ich die ganze Zeit auf der Frequenz bin, sieht das ähnlich...

Lotse: "CL, was ist denn Ihr Plan? In Richtung Ihres Ziels ist eine Menge Regen..."

Ich: "D-CL, sehe ich auch. Ich warte hier erst einmal auf der Südeite der Schauer im Segelflug, ob die weiterziehen und ich noch landen kann..."

Lotse: "D-CL, verstanden"

So schalte ich den Motor ab und versenke den Propeller. Auf der Südseite der Schauerwolken kann ich in ca. 25km vor Reinsdorf erst einmal parken, ohne Sprit zu verbrauchen, da es im Segelflug Steigen gibt. Wolkenbasis ist bei 1200m. So weit, so problemlos, aber die Schauer nach Nordwesten werden eher deutlich dicker, denn weniger. Es ist kohlschwarz und man sieht unten eine Menge tiefe Bewölkung neben dem Niederschlag. Da will man wirklich nicht sein... So parke ich da für ziemlich genau eine Stunde und muss zusehen, wie das Wetter immer weiter nach Südosten wandert und mich vom meinem eigentlichen Ziel wegschiebt. So ein Mist. Das fällt dann auch FIS auf...

Lotse: "CL, noch alles gut bei Ihnen?"

Ich: "CL positiv, habe noch Steigen und kann hier noch eine Weile warten..."

Lotse: "Haben Sie einen Alternative?"

Ich : "CL, ich könnte in Finsterwalde landen oder in Schwarzheide, alles kein Problem"

Noch etwas später jedoch, als ich einmal einen kurzen Internetkontakt bekomme, sieht es so aus, als ob die letzte Zelle durchzieht. Die pumpt sich noch einmal so richtig auf und wird im Radar blau mit einer Menge Blitzen angezeigt. Also fliege ich los nach Südwesten entlang der Kante der Wolken und hoffe, mich dann um die Zelle herum an Reinsdorf heranmachen zu können. Man muss nur darauf achten, einen ausreichenden Abstand zu so einem Monstrum zu haben, da die auch außerhalb mal Böen oder Funken haben können.

Die letzte, beeindruckende Gewitterzelle. Nur ansehen, nicht anfassen!!

Auf dem Weg nach Südwesten wird die Bewölkung dann immer weniger und in der Ferne ist überall Sonne. Sieht so aus, als ob das Niederschlagsband jetzt durch ist. FIS sieht es ähnlich und bestätigt mir von einem Flugzeug, das eben in Holzdorf etwas weiter nordwestlich meiner Position gelandet ist, dass hinter der Zelle der Weg frei ist.

Herrliche Konvergenz nach Südwesten

Der Regen verschwindet alsbald, nur die telweise unter der Basis hängenden Flusen bleiben. Was also ist hier meteorologisch los?? Am Ende ist das eine Konvergenzlinie, die ich hier vorgefunden habe, wie man sie oft auf der Vorderseite vor Kaltfronten findet. Die ist an ihrer Südwestspitze noch relativ harmlos, so dass sie nur starke Thermik mit in der Mitte heraushängenden Flusen bildet. Weiter nach Nordosten ist sie wesentlich entwickelter und stärker, so dass die Labilisierung so stark wird, dass sich Gewitter und Schauer bilden. Das jetzt verstehend setzt sich in mir ein Plan zusammen: Wenn ich Reinsdorf im Segelflug erreichen möchte, fliege ich die Konvergenz noch eine Ecke bis nach Südwesten, um möglichst um die tiefe Bewölkung ohne Höhenaufgabe herumzukommen. Zudem kann ich mich dadurch so positionieren, dass ich den Südwestwind im Endanflug genau von hinten bekomme. Mal sehen, ob das klappt.

Also fädele ich mich in die Konvergenz ein und - wie erhofft und erwartet - geht es da mächtig nach oben. Aus 700m über Grund komme ich so mit teilweise mehr als 4m/s auf 1100m. Dann setze ich das Steigen in Geschwindigkeit um.

Fast am Ende der Konvergenz: Hier werden die Flusen weniger

Ich kann es kaum fassen, dass mein Plan praktisch komplett aufgeht. In dem Moment, als ich fast exakt luvseitig von Reinsdorf bin, ist die Konvergenz zu Ende und ich kann unter der Wolke queren. Jetzt bleiben noch etwa 40km bis Reinsdorf, die für die Stemme aus 1100m mit 25km/h Rückenwind kein Thema sind. 450m Höhe am Platz sagt der Anflugrechner, als ich losfliege. Die Luft danach ist praktisch tot und hat nur noch einen dünnen Schauer auf dem Weg.

Endanflug auf Reinsdorf. An dem Schauer musste ich noch vorbei

Glücklicherweise war der Schauer nicht direkt auf Kurs, so dass ich mich mit ihm kaum befassen musste. Also habe ich noch eine letzte Kommunikation mit FIS über die Kontrollzone Holzdorf unternommen, die heute am Samstag jedoch nicht aktiv war. Die Bundeswehr ist auch im Wochenende. Dann bin ich fast exakt in 450m in Reinsdorf angekommen. Dort dampfte die Feuchte aus dem Wald südlich des Platzes. Es muss hier echt heftig geregnet haben, wenn das passiert...

Ankunft in Reinsdorf und der Wald dampft...

Als ich den Platz anfunke können sie es erst gar nicht verstehen, wo jetzt ein Flugzeug herkommt. Eben war doch fast noch Weltuntergang. Ein paar Minuten später bin ich unten und rolle vor die Kneipe am Platz. Jetzt wird offenbar, wie sehr es hier einen heruntergetan hat...

Mitten in den Pfützen

Beim Rollen ist mir das gar nicht so aufgefallen, aber nach dem Aussteigen sah die Stemme aus, als wäre ich einmal durch einen Heuhaufen durchgeflogen. Also durfte ich erst einmal eine halbe Stunde Flugzeug von Dreck und Gras befreien. Danach habe ich mich in die Gaststätte begeben. Willkommen zurück in Deutschland und darauf erst einmal eine Currywurst. ;-)

Feierabend nach einem der eindrücklichsten Flüge meines Lebens

Den Rest des Abends habe ich dann mit den Kunstfliegerkollegen Kathi, Eddy und Thomas verbracht, die mir dann auch noch ein Nachtlager im Vereinsheim angeboten haben.

 

30.07.: Reinsdorf-Wilsche

Geschrieben von Webmaster am .

Irgendwann um kurz vor neun klingelt der Wecker. Es ist Zeit, alles zusammenzupacken und für ein Frühstück. Das gönne ich mir auch in der Flugplatzgaststätte in Reinsdorf. Ein starker Kaffee bringt die Neuronen wieder auf Taktfrequenz. Entsprechend des gestrigen Gewirtterregens ist die Luft sacknass und warm, aber es ist ein wenig Thermik angesagt, wenn auch mit ordentlich Wind aus West verbunden. Genau gegen den muss ich mich vorkämpfen, wenn ich nach Hause nach Wilsche kommen möchte. Weitere Ambitionen legen die Wettervorhersagen allphasig hart an Masse: Die kommende Woche wird im Wesentlichen eins bereithalten: Wind, Regen und tiefe Wolken. Das ist nichts, wo man VFR herumfliegen möchte, von Segelflug gar nicht zu reden. Also wohne ich kurz dem Briefing der Reinsdorfer bei, verbringe 20min damit, die nassgeregnete Stemme trockenzulegen, räume meine Habseligkeiten in das Flugzeug und warte auf die Thermik. Wie auch die letzten Tage besteht das Spiel darin, dass Thermik zum Losfliegen vorhanden sein muss, aber man darf auch nicht zu lang warten, da schon wieder das nächste Schlechtwettergebiet heranzieht. Kurz nach 11 wird es laut auf dem Platz und ich brumme los.

Matschige Thermik bis ca. 1300m

Entsprechend der extremen Feuchte überrascht es nicht, dass sich die Thermik äußerst matschig und suppig anfühlt. Ich bekomme kaum mehr als einen Meter anfangs herausgequetscht und die Bedeckung ist nicht ohne. Zudem schiebt einen der Wind immer wieder weg vom Ziel. Mühsam geht es dennoch voran und ab und an mal zeigt sich auch ein Bart mit einer 2 vor dem Komma auf dem Integrator. So geht die Reise bis etwa nördlich von Magdeburg. Währenddessen sieht man schon deutlich, wie von Süden die Abschirmung der nächsten Front reinkommt und ich bin froh, gleich früh losgezogen zu sein.

Blick nach Süden: Mehr Stratus als Cumulus, was da kommt. Nichts wie weiter...

Etwas weiter westlich kann ich dann die Elbe kreuzen. Kurz zuvor habe ich mich, während die Abschirmung bereits über mir stand, noch einmal bis auf etwas über 1300m hocharbeiten können. Das reicht über die Elbe bis in die Letzlinger Heide.

Elbquerung und die Einstrahlung ist schon fast weg

Direkt über dem Kaliberg nördlich von Magdeburg steht noch eine Wolke, aus der ich mühsam noch 200m Höhengewinn herausnudeln kann. Das ist zu viel zum sterben, aber zu wenig zum leben. Einen kleinen Flusen etwas weiter probiere ich noch, aber der zieht nicht. Also muss ich, wie schon bei allen anderen Flügen vorher auf dieser Rundreise, den Propeller herausholen und den Motor anwerfen. Mit den rund 700m hätte man zwar noch ein paar km gleiten können aber wozu? Die Strecke vor mir ist komplett dicht und ohne Einstrahlung und vom Abwarten verspreche ich mir auch nichts, da mir die Abschirmung entgegenkommt. Also brumme ich weiter der Heimat entgegen.

Stratocumulus voraus. Ein wenig zuppeln sie zwar, aber nutzbares Steigen spüre ich nicht

Immerhin knapp 130km Segelflug sind es geworden, die ich keinen Sprit verbraucht habe. Eine halbe Stunde später bin ich in der Nähe von Wilsche, wo die Wolken wieder aufreißen. Somit kann ich den Prop wieder wegpacken und fliege noch ein paar km im Segelflug weiter und lande dann bald. Bei der hohen Feuchte gehen die Wolken kaum.

Zu Hause nach sechs Tagen Wandersegelflug

Auf dem Flugplatz angekommen nehme ich mir erst einmal viel Zeit für technischen Dienst am Gerät und baue alle Motorverkleidungen ab, damit etwaige Feuchte im Rumpf noch verdunsten kann. Dann kommt mir noch Sören entgegen, der sich noch für 2,5h in die Thermik für einen Bundesligaflug werfen möchte. Ich bewundere ihn für seine Motivation, meine war inzwischen erloschen mit dem Wetter.

Damit ist auch diese Wandersegelflugepisode vorbei. Weitere nutzbare Wetterlagen ergaben sich in der zweiten Woche, die ich eigentlich unterwegs sein wollte, nicht. Es kam, wie prognostiziert. Regen, Wind, tiefe Wolken sorgten eher für Innendiesttätigkeiten. Irgendwann hielt es den Gastverein aus Unna, der gerade in Wilsche nicht mehr bei uns am Platz und sie brachen am Dienstag das Fluglager ab. Auch der LSV ist am gleichen Tag aus Suhl nach Hause gefahren. Das hat man wirklich selten, dass das Wetter so lange so mies ist, dass selbst die Segelflieger sich nicht mehr mit Spielen im Vereinsheim und dem einen oder anderen Hopfengetränk bei Laune halten können.

Mein Fazit von der Unternehmung? Streckenfliegerisch war es von den Kilometern her kaum der Bringer. Bei jedem Flug bin ich nur mit dem Motor ans Ziel gekommen und musste mehr oder minder immer mit dem Wetter kämpfen. Das kann man jetzt negativ sehen. Ich sehe es positiv, mit der Stemme und ihren Möglichkeiten habe ich die Tage nutzen können, bin bei Wetterlagen unterwegs gewesen, die mich sonst nicht einmal aus dem Bett geholt hätten und das hat am Ende zu Erlebnissen gereicht, die ich mir nie vorstellen konnte. Insbesondere der gestrige Flug von Mikulovice nach Reinsdorf mit schwacher Thermik hinter den Bergen, der Welle im Eulengebirge, Rotoren und Welle im Riesen- und Isergebirge, dem langen Abgleiter zwischen den Wolken bis hinter Görlitz und dem Spiel mit den Gewittern und der Konvergenz vor Reinsdorf war einer der wahnsinnisten Flüge, die ich je unternommen habe. Hätte ich die Geschichte vor einigen Jahren abends beim Bier erzählt bekommen, so recht geglaubt hätte ich sie nicht. Aus dem Grund war es die beste Entscheidung, einfach loszulegen. So etwas ist der Garant für Abenteuer, die man noch Jahre später im Detail weiß und gern erzählt :-)