29.07.: Mikulovice-Reinsdorf

Geschrieben von Webmaster am .

Morgen Nummer zwei in Mikulovice und man schläft echt gut im Aviatik. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Wettervorhersagen für heute und die kommenden Tage an. Leider bestätigt sich das ungute Gefühl, das die gesamte Zeit schon exisitiert. Wie war das mit 1007hPa? Tiefdruck allerorten und entsprechend mies und unbeständig ist das Wetter. Egal wo man wann hinschaut - es gibt keine Perspektive. Skysight, Topmeteo und der DWD sind sich ausnahmsweise mal einig, es wird besch...

Also was tun? Meinen Plan, von Mikulovice aus Richtung Süddeutschland weiterzuziehen kann ich komplett verwerfen, da in den kommenden Tagen in der Gegend keine nutzbaren Bedingungen zu erwarten sind. Auch die Idee, dem LSV Gifhorn beim Fluglager in Suhl im Thüringer Wald zu besuchen lasse ich fallen. Der steht im Südstau in den Wolken und in den letzten Tagen ist dort auch nicht mehr als ein wenig Hangflug möglich gewesen. Streckenfliegen konnte man da glatt gar nicht. Wie also weiter?

Einen kleinen Ausweg bietet der heutige Tag. Das grobe Mistwetter soll heute noch an den Bergen an der tschechisch-polnischen Grenze hängenbleiben, so dass heute auf der Nordostseite von Altvater- und Riesengebirge ein wenig Thermik vorhanden sein soll. In Deutschland werden dann Gewitter und Schauer angedroht, ohne dass sie sich komplett zu Linien verdichten sollen. Da es die kommenden Tage noch schlechter aussieht, beschließe ich, den Abstand zum Heimatplatz zu verkürzen. Streckenplan ist, auf der Nordostseite der Berge in der polnischen Tiefebene bis nach Görlitz zu kommen und dann zu schauen, wie weit man dann noch zwischen den Schauern Strecke machen kann. Ziel wäre eventuell Reinsdorf oder Lüsse, von wo aus am Sonntag auch noch ein paar dürftige thermische Bedingungen vorhanden sein sollten. Kommt man da nicht an, kann man unterwegs immer noch in Görlitz, auf den Plätzen in der Lausitz, in Pirna oder irgendwo sonst landen.

Also los, getankt hatte ich ja gestern schon. Der Start auf der Nordseite des Platzes, wo der Untergrund härter ist, fühlt sich dann auch gleich viel besser an. Wie erwartet ist die Luftmasse warm, schwül und suppig. Das riecht nach allem anderen als guten thermischen Bedingungen aber besser wird es absehbar nicht, also nehme ich, was ich kriegen kann.

Mäßige Thermik bis kaum 1000m über Grund und nur jede dritte Wolke geht, gut ist anders

So bastele ich mich nach und nach an den Bergen vorbei. Die Perspektive ist wirklich ungewohnt, normalerweise sind wie hier immer mindesten 2000m höher und die Berge nicht höher, als man selbst. Aber naja. Sprit habe ich ja genug dabei, die Strecke notfalls komplett mit dem Motor zu absolvieren, aber der Ehrgeiz ist schon da, den Verbrauch zu minimieren. Das gelingt auch soweit ganz gut, auch wenn ich gefühlt immer nur in einem Meter pro Sekunde Steiggeschwindigkeit im Paterre herumrühre und dabei ordentlich ins Schwitzen komme. Das ist der Nachteil am großen Cockpit der Stemme: Bei der warmen und feuchten Brühe fühlt es sich dann an, wie im Gewächshaus.

So arbeite ich mich geduldig bis an das Südostende des Eulengebirges, wo ich in kaum 600m ankomme. Da hängen über den Bergen ein paar Wolken herum, aber je weiter ich nach Südwesten schaue, desto dicker erscheint der Dreck. Da braucht man wirklich nicht hinzufliegen, also muss ich hier nach Thermik schauen. Zudem kommt auch der Wind aus West bis Südwest, was ein Lee hinter den Bergen bewirkt. Zu nah darf man also nicht heranfliegen, zumal auf dem Nordosthang nicht so viel Sonne steht, als dass da Leethermik herauskommen könnte. Nordöstlich der Berge ist aber Bewölkung erkennbar, die thermisch aktiv aussieht, also fange ich da mal an zu suchen.

Einfach ist es nicht, die Aufwinde zu zentrieren. Der Wind ist da und das Steigen ziemlich zerrupft. Irgendwie kann ich langsam aber sicher Höhe gewinnen und je mehr ich davon bekomme, umso mehr vernehme ich einen charakteristischen Geruch in der Nase: Diese Art von Turbulenz und Zerrissenheit ist keine Thermik mehr, hier ist noch was anderes im Gang. Hatte ich nicht den Südwestwind erwähnt? Irgendwie passt alles zusammen: Die Wolken über den Bergen, die sich dann auflösen, die Wolkenlücke und eine Wolkenwurst im Lee der Berge, deren Steigen sich eher nach Rotor anfühlt, als nach Thermik. Aber es ist doch Sommer, mag der geneigte Leser dieser Artikel denken? Da gibt es doch keine Wellen, da die Thermik zu aktiv ist? Nunja, ab und an reicht es schon, dass die Luft darüber ins Schwingen kommt, wenn die Thermik die Berge nicht komplett vereinnahmt. So auch hier. Einmal neugierig geworden muss ich das erstens erforschen, was hier los ist. Zudem käme mir etwas Welle gelegen, um den Schnitt und den Aktionsradius hochzutreiben. Also probiere ich es, gegen den Wind ins laminare Steigen zu kommen und - Treffer!

3m/s Steigen luvseitig der Wolkenwurst, Welle Ahoj!!

Grinsend sitze ich im Cockpit und weiß kaum wohin mit meiner Freude über die unverhoffte Welle. Es geht anfangs mit 3m/s hoch, lässt dann oberhalb von 2000m MSL aber an der Stelle nach. Auch die Windanzeige des Navigationsgerätes geht nun zurück. Aus der Höhe sieht man genau, was los ist. Die Föhnlücke ist nicht zu übersehen.

Links das Eulengebirge, rechts die Rotorwurst

Weiter geht es Richtung Riesengebirge

Da hier nun kaum mehr etwas zu holen ist, die Schauer in Deutschland mit zunehmender Tageslänge aber heftiger werden dürften will ich hier nicht zu lange die Aussicht genießen. Etwas weiter im Nordwesten findet sich noch eine Stelle, die man fast wie Thermik bis 2400m kurbeln konnte. Ich vermute mal, dass das mit einem hydraulischen Sprung in der Nähe in Verbindung stand. Das hatten wir vor Jahren schon einmal direkt über dem Serak und konnten es uns kaum erklären. Hier aus der Höhe ist direkt zu sehen, dass in Tschechien alles zu ist. Da habe ich offenbar keine allzu falsche Entschidung getroffen, auf der ponischen Seite der Berge zu fliegen.

Dicke Bewölkung Richtung Adlergebirge im Südwesten

Weiter geht die Reise, nun in einem angenehmeren Temperaturbereich mit besserer Aussicht. Eine Weile kann ich entlang Waldenburg noch tragende Linien nutzen, aber an der Südostecke des Riesengebirges muss ich einsehen, dass der Weiterflug im Segelflug nicht ganz einfach wird. Etwas Anflughöhe habe ich auf Jelenia Gora, aber sonst ist die Gegend direkt im Lee des Riesengebirges ziemlich schlecht landbar. Mit knapp 1300m MSL bin ich auch schon deutlich unter Hanghöhe des Gebirges, weswegen es auch nicht ganz einfach wird, da einen Rotor einzufädeln und Rotorbewölkung auch nicht so richtig eindeutig auszumachen ist. Als letztes gibt es jetzt hier auch noch einen Luftraum bis FL85, so dass ich nicht direkt an die Leeseite der Berge herankomme. Also lasse ich nichts anbrennen und werfe einmal mehr den Motor an und arbeite mich am Riesengebirge und dem Luftraum vorbei. Nordwestlich des Riesengebirges befindet sich dann das Isergebirge. Dort sieht es eher nach Rotorzeichen aus und ich stelle den Motor ab. Wie erwartet, geht es da wieder im Segelflug hoch...

Steigen in der Welle des Isergebirges

Man merkt jedoch, dass die Feuchte hier schon deutlich höher ist. Wolken gibt es überall, was den Vorteil hat, dass man sich in den Lücken einfach orientieren kann, wo die Steiggebiete sind. Also lasse ich mich nach und nach auf mehr als 2700m über dem Meersspiegel hochhieven.

Ausgeprägte Föhnlücke im Isergebirge

Irgendwann geht die Welle dann erstens aus und zweitens habe ich mich auch nicht um eine Einzelfreigabe zum Steigen über FL95 bemüht. Wie gesagt, Ziel ist ja, wieder Richtung Wilsche zu kommen. Also nehme ich die Höhe gern mit und fliege weiter. Auch wenn es am Anfang nicht so aussieht, gibt es, da es weiterhin Wellen hat, immer wieder Lücken in den Wolken, an denen man entlangfliegen kann. Steigen bringen die keines mehr, aber immerhin reduziertes Sinken, so dass ich den Segelflug versuche zu strecken, wo es geht.

Es sind weiterhin Wellen zu erkennen

Vermutlich löst der Jeschkenkamm auf der tschechischen Seite hier die Wellen aus. Den erkennt man anhand des raketenförmigen Hotels auf seiner Spitze immer sehr gut, wenngleich er heute durch die Wolken nicht zu sehen war.

Blick auf mehrere Wolkenstockwerke

Entgegen der Erwartung steigt der Bewölkungsgrad kaum weiter an, je weiter ich in Richtung deutsche Grenze komme. Irgendwann sehe ich Görlitz unter mir. Leider bleibt die Bedeckung in den hohen Stockwerken sehr hoch, so dass ich im Moment kaum Hoffnung auf fortgesetzten thermischen Streckenflug habe. Schauen wir mal weiter.

Görlitz mit dem Flugplatz oben im Bild

Grund zum Landen gibt es in Görlitz erst einmal keinen, also gleite ich weiter die Höhe ab. Das klappt dann bis zu einem Punkt zwischen dem alten Militärplatz Rothenburg bei Görlitz und dem Kraftwerk Boxberg, als sich thermisch kaum etwas regt. Da die Gegend um das Kraftwerk von kaum landbaren Tagebauen und nur wenigen kleinen Feldern gesäumt ist, gehe ich kein Risiko ein und befreie zum vierten Mal an diesem Tag den Propeller aus seiner Garage. Brummend setzt die Stemme die Reise Richtung Reinsdorf fort, wo ich heute eigentlich landen will. Derweil sind nach Dresden schon die ersten Schauer zu sehen. Auf Kurs ist erst einmal noch alles frei, also fliege ich mit Motor weiter.

Erste Schauer im Südwesten

Weiter auf Kurs muss ich bei Bronkow schon einen Schauer umfliegen, damit der Propeller nicht nass wird. Das mag der gar nicht... Irgendwie hoffe ich noch, mich bis Reinsdorf durchschlagen zu können. Einen kurzen Blick auf den Platz erhasche ich dann noch, aber mit zwei Wolkenbrüchen direkt daneben traue ich es mir definitiv nicht, da reinzufliegen.

Da hinter dem Schauer muss ich hin...

FIS, wo ich die ganze Zeit auf der Frequenz bin, sieht das ähnlich...

Lotse: "CL, was ist denn Ihr Plan? In Richtung Ihres Ziels ist eine Menge Regen..."

Ich: "D-CL, sehe ich auch. Ich warte hier erst einmal auf der Südeite der Schauer im Segelflug, ob die weiterziehen und ich noch landen kann..."

Lotse: "D-CL, verstanden"

So schalte ich den Motor ab und versenke den Propeller. Auf der Südseite der Schauerwolken kann ich in ca. 25km vor Reinsdorf erst einmal parken, ohne Sprit zu verbrauchen, da es im Segelflug Steigen gibt. Wolkenbasis ist bei 1200m. So weit, so problemlos, aber die Schauer nach Nordwesten werden eher deutlich dicker, denn weniger. Es ist kohlschwarz und man sieht unten eine Menge tiefe Bewölkung neben dem Niederschlag. Da will man wirklich nicht sein... So parke ich da für ziemlich genau eine Stunde und muss zusehen, wie das Wetter immer weiter nach Südosten wandert und mich vom meinem eigentlichen Ziel wegschiebt. So ein Mist. Das fällt dann auch FIS auf...

Lotse: "CL, noch alles gut bei Ihnen?"

Ich: "CL positiv, habe noch Steigen und kann hier noch eine Weile warten..."

Lotse: "Haben Sie einen Alternative?"

Ich : "CL, ich könnte in Finsterwalde landen oder in Schwarzheide, alles kein Problem"

Noch etwas später jedoch, als ich einmal einen kurzen Internetkontakt bekomme, sieht es so aus, als ob die letzte Zelle durchzieht. Die pumpt sich noch einmal so richtig auf und wird im Radar blau mit einer Menge Blitzen angezeigt. Also fliege ich los nach Südwesten entlang der Kante der Wolken und hoffe, mich dann um die Zelle herum an Reinsdorf heranmachen zu können. Man muss nur darauf achten, einen ausreichenden Abstand zu so einem Monstrum zu haben, da die auch außerhalb mal Böen oder Funken haben können.

Die letzte, beeindruckende Gewitterzelle. Nur ansehen, nicht anfassen!!

Auf dem Weg nach Südwesten wird die Bewölkung dann immer weniger und in der Ferne ist überall Sonne. Sieht so aus, als ob das Niederschlagsband jetzt durch ist. FIS sieht es ähnlich und bestätigt mir von einem Flugzeug, das eben in Holzdorf etwas weiter nordwestlich meiner Position gelandet ist, dass hinter der Zelle der Weg frei ist.

Herrliche Konvergenz nach Südwesten

Der Regen verschwindet alsbald, nur die telweise unter der Basis hängenden Flusen bleiben. Was also ist hier meteorologisch los?? Am Ende ist das eine Konvergenzlinie, die ich hier vorgefunden habe, wie man sie oft auf der Vorderseite vor Kaltfronten findet. Die ist an ihrer Südwestspitze noch relativ harmlos, so dass sie nur starke Thermik mit in der Mitte heraushängenden Flusen bildet. Weiter nach Nordosten ist sie wesentlich entwickelter und stärker, so dass die Labilisierung so stark wird, dass sich Gewitter und Schauer bilden. Das jetzt verstehend setzt sich in mir ein Plan zusammen: Wenn ich Reinsdorf im Segelflug erreichen möchte, fliege ich die Konvergenz noch eine Ecke bis nach Südwesten, um möglichst um die tiefe Bewölkung ohne Höhenaufgabe herumzukommen. Zudem kann ich mich dadurch so positionieren, dass ich den Südwestwind im Endanflug genau von hinten bekomme. Mal sehen, ob das klappt.

Also fädele ich mich in die Konvergenz ein und - wie erhofft und erwartet - geht es da mächtig nach oben. Aus 700m über Grund komme ich so mit teilweise mehr als 4m/s auf 1100m. Dann setze ich das Steigen in Geschwindigkeit um.

Fast am Ende der Konvergenz: Hier werden die Flusen weniger

Ich kann es kaum fassen, dass mein Plan praktisch komplett aufgeht. In dem Moment, als ich fast exakt luvseitig von Reinsdorf bin, ist die Konvergenz zu Ende und ich kann unter der Wolke queren. Jetzt bleiben noch etwa 40km bis Reinsdorf, die für die Stemme aus 1100m mit 25km/h Rückenwind kein Thema sind. 450m Höhe am Platz sagt der Anflugrechner, als ich losfliege. Die Luft danach ist praktisch tot und hat nur noch einen dünnen Schauer auf dem Weg.

Endanflug auf Reinsdorf. An dem Schauer musste ich noch vorbei

Glücklicherweise war der Schauer nicht direkt auf Kurs, so dass ich mich mit ihm kaum befassen musste. Also habe ich noch eine letzte Kommunikation mit FIS über die Kontrollzone Holzdorf unternommen, die heute am Samstag jedoch nicht aktiv war. Die Bundeswehr ist auch im Wochenende. Dann bin ich fast exakt in 450m in Reinsdorf angekommen. Dort dampfte die Feuchte aus dem Wald südlich des Platzes. Es muss hier echt heftig geregnet haben, wenn das passiert...

Ankunft in Reinsdorf und der Wald dampft...

Als ich den Platz anfunke können sie es erst gar nicht verstehen, wo jetzt ein Flugzeug herkommt. Eben war doch fast noch Weltuntergang. Ein paar Minuten später bin ich unten und rolle vor die Kneipe am Platz. Jetzt wird offenbar, wie sehr es hier einen heruntergetan hat...

Mitten in den Pfützen

Beim Rollen ist mir das gar nicht so aufgefallen, aber nach dem Aussteigen sah die Stemme aus, als wäre ich einmal durch einen Heuhaufen durchgeflogen. Also durfte ich erst einmal eine halbe Stunde Flugzeug von Dreck und Gras befreien. Danach habe ich mich in die Gaststätte begeben. Willkommen zurück in Deutschland und darauf erst einmal eine Currywurst. ;-)

Feierabend nach einem der eindrücklichsten Flüge meines Lebens

Den Rest des Abends habe ich dann mit den Kunstfliegerkollegen Kathi, Eddy und Thomas verbracht, die mir dann auch noch ein Nachtlager im Vereinsheim angeboten haben.