50 Kilometer – Ein Ausbildungsabschluss mit Zwischenlandung

Geschrieben von Webmaster am .

Im Herbst diesen Jahres fehlte für Flugschüler Lukas nur noch der 50km Streckenflug, der allein vorbereitet und durchgeführt werden muß. Dafür gibt es vom Fluglehrer dann einen schriftlichen Flugauftrag. Ende September ist das nicht mehr unbedingt einfach, da das Wetter bisweilen eben schon herbstlich und nicht mehr von viel Thermik geprägt ist.

Für den 29.09. war die Vorhersage sehr gut, so daß es Lukas probiert hat. Naja - sagen wir mal so - es gab dabei kleinere Hindernisse zu überwinden. Wir freuen uns, daß er dazu einen kleinen Bericht verfaßt hat, den Ihr hier nachlesen könnt.

 

50 Kilometer – Ein Ausbildungsabschluss mit Zwischenlandung

Die Segelflugsaison neigt sich dem Ende zu und somit meistens auch das Wetter. Üblicherweise zumindest...

Nach einem wunderbaren Sommer wurde in der letzten Septemberwoche stündlich die Wetter-App auf dem Telefon geöffnet. Grund dafür war der bevorstehende 50km Überlandflug aus Wilsche, der als letzter Abschnitt vor der praktischen Segelflugprüfung steht. Als sich die Wettervorhersage für den 29. September täglich verbesserte, hielt sich die Freude kaum noch in Grenzen. Verwöhnt von den Streckenflugerfolgen der Vereinskollegen erschienen 50km als Kinderspiel. Weit gefehlt – dazu jedoch später.

Dann kam der 28. September: Mit Unterstützung von Joel bereitete ich am Vorabend die Flugstrecke nach Gardelegen und sowie jegliche Besonderheiten, die mir unterwegs begegnet könnten, vor. Nun hieß es: Ab ins Bett.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon ganz anders aus. Zu der Vorfreude mischte sich nun die Nervosität. Nach dem morgentlichen Briefing ging es endlich los. Mein heutiger Begleiter, der Astir, ein einsitziges Schulflugzeug aus Kunststoff, wurde aus der Halle geräumt. Jetzt musste nur noch die Wasserflasche aufgefüllt und - wie von Martin gelernt - der Wendepunktapfel eingepackt werden. Dann ging es auch schon an den Start.

Eine ausführliche Kontrolle des Flugzeugs und ein paar Worte vom Ausbildungsleiter Dennis später und schon stand ich mit eingeklinkten Schleppseil hinter dem Schleppflugzeug. Ich sagte „Hotel Golf, Echo 6 ist abflugbereit“ und los gings. Voller Tatendrang ging es auf 600m direkt in die Thermik. Bis hierhin alles super. Wie im Fahrstuhl ging es rauf bis auf 700m. Hier wurde die Thermik etwas schlechter und mein Tagesplan begann sich zu ändern. Die sich vor mir auftuenden Wolkenstraßen im Blick, entschloss ich mich, weiterzufliegen und nach einem besseren Aufwind zu suchen. Die Entfernung zum Flugplatz wurde immer größer, während das Variometer, welches mir die vertikale Bewegung eines Flugzeugs anzeigt, im stetigen Sinken verharrt. Da die Bäume unter mir immer größer wurden, entschloss ich mich, im Umfeld eines geeigneten Außenlandeackers nach weiteren Aufwinden zu suchen. Langsam wurde mir bewusst, dass die 50km so nur noch schwer möglich sind. Sichtlich enttäuscht sagte ich über Funk zu Nico, welcher 1000m über mir fröhlich seine Kreise im Doppelsitzer zog: „Das ist doch alles Mist hier!“. Als ich bemerkte, dass die Bäume unter mir immer größer wurden, entschied ich zu einer Außenlandung auf dem Acker unter mir, da der Flugplatz Wilsche aus der Höhe nicht mehr zu erreichen war.

Nun galt es, das gelernte Wissen und Training zu nutzen, um sauber zu landen: Beobachten der Windrichtung, festlegen der Position, Queranflug, Endanflug, ausfahren der Bremsklappen und dann abfangen. Staubwolke. Und plötzlich stand ich mitten auf einem großen braunen Acker. Nach einigen kurzen Sekunden der Besinnung und der Kontrolle, dass es mir gut geht, stellte ich fest, dass das mit den Außenlandungen ja wirklich so gut funktioniert, wie alle immer sagen. Wieder was dazugelernt, denn Sorgen bereitet mir das in Zukunft nicht mehr! Während des Aussteigens begann es plötzlich über meinem Kopf zu summen. Ein kurzer Blick nach oben offenbarte unseren Motorsegler mit Steffen und Martin, welche die Landung zufällig beobachtet haben. Mein erster Gedanke: „Oh Mist, die Landung sah anscheinend ziemlich schlimm aus wenn die schon vorbeischauen.“ Ich konnte jedoch beruhigt sein, auch später gab es keinen negativen Kommentar zur Landung. Sie gilt damit wohl als bestanden.

Gelandet auf dem Acker - mit herrlichen Wolkenstraßen am Himmel

Nun mußte ich nur noch herausfinden, wo genau ich eigentlich bin. Im 21. Jahrhundert geht das aber problemlos, mit dem Handy die Position zu überprüfen und mein Rückholteam anzurufen...

Der Astir und ich, fotografiert von Martin aus der Dimona

Dann wurde der zuerst doch etwas unangenehme Anruf abgesetzt: „Holt mich mal ab. Ich liege 4 km östlich vom Platz. Besser nicht nachfragen!“. Nachdem ich den Acker mehrere Male auf und ab gelaufen bin, während ich mich über meine eigene Entscheidung ärgerte, tauchte mein Rückholteam munter gestimmt am Acker auf.  Begrüßt wurde ich mit dem klaren Befehl: „Abrüsten, ab nach Hause, aufrüsten und dann nochmal!“. Noch etwas skeptisch rüstete ich gemeinsam mit  den anderen das Flugzeug ab und fuhr wieder zurück zum Flugplatz. Am Flugplatz angekommen bekam ich einen Luxus, wie er nur selten da ist. Aufrüsten am Start, während der Schlepppilot bereits die Schleppmaschine zum Start rollte. Gleichzeitig landete mein Fluglehrer Gerrit. Grinsend stieg er aus und rief über die halbe Landebahn: „Das Wetter das ist so geil! Man kommt ja nicht mehr runter!“. Großes Gelächter am Start, bin ich doch gerade erst vom Acker gekommen. Nun konnte auch ich wieder lachen. Dann hieß es: „Einsteigen und los!“.  Völlig überrascht, dass diese Aussage wirklich ernst gemeint war stieg ich wieder ein. Dann gab es Tipps von Dennis, Gerrit, Nico, Frank und Nils. Bei so viel qualifizierten Wissen über den Streckenflug fühlte ich mich bereit für eine Weltmeisterschaft. Dann ging es los.

Diesmal habe ich mir vorgenommen, so viel Höhe wie möglich zu gewinnen bevor ich nach Gardelegen fliege. Gesagt getan. Aus 1300m begann ich meine Reise. Über Stüde und Wolfsburg ging es entlang der Wolkenstraßen nach Osten. Erst jetzt, völlig alleine, ohne Aufsicht eines Fluglehrers merkt man wirklich, wie faszinierend das Fliegen ohne Motor ist. Immer wieder Höhe durch die Natur gewinnen und die „große“ Strecke von 50km zurücklegen. Zwischendurch traf ich 4 andere Segelflieger. Ich, total stolz alleine unterwegs zu sein, freute mich immer gewaltig und saß winkend im Flugzeug um den anderen Hallo zu sagen. Immer im Hinterkopf nicht zu viel Höhe zu vernichten, tastete ich mich vorsichtig nach Gardelegen vor. Dann plötzlich war ich über dem Wald direkt neben meinem Ziel. Ich nutzte die letzte Thermik über der Waldkante, in die ich zufällig gestolpert bin und meldete mich auf der Platzfrequenz, jedoch ohne Antwort. Nachdem nach mehreren Rufen keine Antwort kam, entschied ich mich, wie gelernt, den Landeplatz zu umfliegen. Alles frei. Nun begann die Zeit, die ich beim Fliegen bisher wohl am meisten genießen konnte. 800m Resthöhe, kein Fluglehrer und keine Strecke mehr die ich fliegen muss. Genuss pur!

Auf dem Flugplatz gelandet, wurde ich gleich freundlich von einigen Modellfliegern begrüßt, welche ebenfalls Segelflug betrieben, nur in klein. Nachdem sich diese völlig begeistert das große Abbild anschauten und schwärmend von unseren Flugtagen berichteten, konnte ich nun meinen Tag für mich zusammenfassen: 500, 600, 900 und 1000km klingen so selbstverständlich. Das scheint doch mehr Arbeit zu sein, als es mir bisher eingestand. Und: Fliegen macht verdammt viel Spaß! Vor allem wenn man sein Ziel erreicht. Wenn auch nur mit Zwischenlandung ;-)

Gelandet! Da steht der Astir in Gardelegen

Die praktische Prüfung kann kommen!