950km zwischen Tschechien und Polen

Geschrieben von Webmaster am .

Beim diesjährigen Wellenfluglager in Mikulovice ist Martin und David ein absoluter Rekordflug gelungen. Es war nicht nur der längste, sondern auch der weiteste und höchste der beiden - und das Anfang November.

Beeindruckende Lenticulariswolke über dem Riesengebirge

Damit haben sie auch den Streckenrekord in der Gegend zwischen Tschechien und Polen gesetzt - noch nie ist dort jemand so weit in der Welle geflogen. Dabei fing der Tag erst ganz anders an. Neugierig? Martin hat, wie üblich, einen Bericht dazu.

Start vor Sonnenaufgang, Landung nach Sonnenuntergang...

Es ist nun schon das dritte Mal, daß wir Ende Oktober bis Anfang November hier in Mikulovice Urlaub mit dem Flugzeug verbringen. Während es die letzten beiden Jahre eher schwach windig mit Hochdruck war, gab es dieses Jahr schon die eine oder andere Überraschung. Das vorhandene Tiefdruckwetter war zwar wechselhafter, hatte aber deutlich mehr Wind parat, so daß wir schon viel erlebt haben. Wen es interessiert, man kann es hier nachlesen.

Doch schon bevor wir dieses Jahr hergefahren sind, hat mich ein Gedanke nicht losgelassen. Wie weit kann man in der Gegend fliegen? Die Wellenlufträume sind ca. 240km in der maximalen Ausdehnung lang und wenn das Wetter geht, kann man die auch nutzen, wenn man vom Altvater- ins Riesengebirge mehrfach hin- und herspringt und die Ecken maximal ausfliegt. Zudem hat ein gewisser Milos Pajr dort 2005 einen Flug von 911km hingelegt und das im Jahr drauf noch um 2km überboten. Beeindruckend. Was aber passiert, wenn man dort bei gutem Wetter den Arcus von der Kette läßt? Das schwere Schiff ist doch mit seinen fast 800kg das perfekte Gerät, um auch bei kalten Temperaturen ohne Wasser richtig loslegen zu können.

Also hab ich mir viele lange Flüge dort angesehen, die Routen, die für die Sprünge gewählt wurden ausgewertet und das Relief auf Wellenauslöser studiert. Zudem wurden Exceltabellen mit den Sonnenauf- und Untergangszeiten gefüllt und Rechnungen angestellt, wie der Flugverlauf bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten und Steigraten wohl ausfällt, um die erforderliche Taktik für einen langen Flug gleich parat zu haben. Das verspricht so manches... Soweit, so gut, jetzt brauchen wir nur noch Wetter.

Während des Aufenthalts in Mikulovice hatten wir dieses Jahr eigentlich im Großen und Ganzen Glück mit dem Wetter, doch die Hammerlage mit starkem Wind aus Südwest, Windzunahme und Richtungskonstanz mit der Höhe und passender Feuchte für Lenticulariswolken, aber ohne Risiko des "Dichtmachens" wollte einfach nicht kommen.

Dann konvergierten die Berichte, daß diese Wetterlage ausgerechnet am letzten Urlaubstag, Samstag dem 05.11. kommen sollte. "Pays to be prepared" dachten wir uns, also haben wir den Dampfer für einen Alarmstart morgen vorbereitet, Sauerstoffpullen noch einmal auf 170bar gefüllt, Bemmen für unterwegs geschmiert, den Sprittank randvoll gepumpt und alles weitere vorbereitet. Noch ein letztes Mal die Wettervorhersage studierend ergibt sich folgendes Bild:

Sieht so aus, als ob die "Lange Welle" steht

Angesichts der letzten Tage erscheint ein Sprung ins Riesengebirge möglich, aber zum Nachmittag hin soll es abbauen. Schauen wir mal. Offenbar haben die Vorhersage auch eine Menge lokaler Segelflieger gelesen, zumindest trudeln, während wir uns noch am letzten Bier festhalten, nacheinander ein Anhänger nach dem nächsten ein. Danach schwanken Lichter von Stirnlampen durch die Nacht und wir sehen zu, wie ein Flugzeug nach dem anderen aufgebaut wird. Na das kann ja spannend werden, denken wir uns und gehen schon um 2100 ins Bett.

Um 0430 Ortszeit klingelt der Wecker. Plan ist, zum Beginn der bürgerlichen Dämmerung um 0617 abflugbereit zu sein, um dann bei ausreichendem Licht zu starten. Im Schein der getunten Taschenlampen holen wir also den Arcus aus den Bezügen, die glücklicherweise knochentrocken sind, schmeißen noch alles rein und zotteln mit dem Gerät als zweites hinter Björn mit dem Duo Richtung Start. Dort stellen wir uns als Eigenstarter in die pole position. Danach gabs erst einmal Kaffee und Frühstück und wir können zusehen, wie die anderen hektisch werden.

Um sechs laufen wir wieder zum Start für die letzten Checks. Obwohl man hätte schon starten dürfen, lassen wir das, weil man im Fall der Fälle einfach noch zu wenig sieht. So dauert es noch bis nach halb, bis der Rattel warm und geprüft ist und wir uns, umringt von den anderen, in den noch dusteren Himmel erheben. Ein paar Rattelminuten später, etwa auf halbem Weg zu den Bergen, geht dann auch die Sonne hinter den Wolken auf.

Start in den Sonnenaufgang

Schaut man in die andere Richtung, ist eindeutig, daß die Wellenparty schon im vollen Gang ist.

Die lange Welle steht Richtung Nordwest

Das sind doch schon einmal gute Voraussetzungen. Am Serak angekommen, wird es wieder leise hinter uns und wir steigen in die Welle ein. Mit 2m/s geht es ab nach oben. Erst, als wir FL100 schon lange unter uns haben, geht am Platz der erste Flugzeugschlepp raus und wir kommen uns irgendwie dekadent vor...

Doch offenbar ist das Wetter nicht so gut, wie es aussieht. Nach oben hin wird die Welle schwächer und bringt kaum mehr einen Meter. Auch am Praded ist nicht mehr herauszuholen. Grmpf... Und schon steht die erste taktische Entscheidung an. Die schwache Welle weiter auslutschen oder los? Ich wills wissen und nicht im Murkelsteigen rumlaborieren, also fliegen wir aus knapp 3700m los Richtung Eulengebige entlang der durch schöne Lentis markierten Langen Welle. Dort angekommen sind wir aber schon 1200m los und lediglich auf 2500m. Aus der Höhe über das Waldenburger Bergland gegen 65km/h Wind ins Riesengebirge zu springen ist mehr als nur mutig. Da aber das Eulengebirge erwartungsgemäß geht und etwa 1m/s bringt, entscheiden wir uns in 3500m, es zu probieren.

Mit etwas Glück und einem Händchen für die tragenden Linien schießen wir mit 150km/h über Grund gegen den starken Wind und schaffen es in 2500m unter einen beeindruckenden, unten hohl ausgebauchten Lenti ins Riesengebirge.

 

Unten hohler Lenti über dem Riesengebirge

Der optischen Anmutung der riesigen, ca. 5km breiten Wolke nach treffen wir das Steigen schon an der Südostecke des Riesengebirges. Erst ein Meter, dann spielt das Vario verrückt. 2m/s, dann 3, 4 und zum Schluß 5m/s lassen uns unverhofft schnell am Lenti vorbeisteigen.

In wenigen Minuten fast 1000m höher

Weiter führt der Kurs am Gebirge entlang. Leider ist am Nordwestende die Bewölkung noch tiefer und die Luftmasse wird immer feuchter. Wir probieren es erst noch, durch Absteigen unter den Vorhängen durchzukommen und dann vielleicht noch weiterzufliegen, müssen aber aufgeben. Hier geht es nicht weiter. Also drehen wir ernüchtert 180° und fliegen wieder zurück. Immer noch brüllt die Welle und will uns in den Orbit holen. Leider ist die nächste Wolkenschicht in knapp 3200m undurchdringlich. Auch vor dem Lenti kommt man nicht vorbei, da es über dem Riesengebirge, bedingt durch die aufsteigenden Luftmassen, einen völlig dichten Schneevorhang hat.

Links der Lenti, rechts der Schnee, über uns auch Wolken. Kein Entkommen

Was zwar meteorologisch hochinteressant und äußerst ästhetisch anzusehen ist, vermasselt uns eben gerade nicht nur unsere Streckenflugplanung, sondern macht auch den Anschein, ganz zuzugehen. Also nix wie weg hier, damit der Flug halbwegs weitergehen kann. Aus 3200m wird der Heimflug Richtung Altvater auch kein Kinderspiel, aber anders geht es nicht. Eine kleine Wolkenlücke bleibt noch am Südende des Lentis, wo wir zwischen ihm und den Schneeschauern durchhuschen können, ohne noch einmal absteigen zu müssen. Also fliegen wir erst einmal wieder östlich der Schneeschauer zum gerade eben freien Eulengebirge. Dort kann man fern am Horizont die Sonne erahnen, aber erst einmal müssen wir da hinkommen.

Fahle Sonne neben den Schneeschauern

Leider können wir die Eulengebirgswelle nicht so recht nutzen, da selbige erstens schon im Schneeschauer steckt und zweitens hier eine Menge andere Segelflugzeuge herumschwirren, die nicht alle mit FLARM ausgestattet sind. Auf Kollisionen haben wir keinen Bock, also fliegen wir schnurstracks Richtung Reichensteiner Gebirge die Lange Welle entlang.

Blick zurück: Alles grau und dicht im Riesengebirge. Das war Maßarbeit

Ob durch die Feuchte oder nicht, so richtig geht es nicht und wir kommen ziemlich tief am Reichensteiner Gebirge an. Erwartet und erhofft steigt es da leicht, so daß wir den Weg Richtung Serak fortsetzen können. Dort müssen wir uns erst einmal aus 1500m ausgraben, damit es weitergehen kann.

Mit einem Meter geht die Welle am Serak und - obwohl wir uns mehr erwartet hätten - müssen wir das nutzen, da es ringsum nichts besseres gibt. Bis 4700m lutschen wir das Ding aus, bis die Höhe für die Südostecke des Wellenraumes reicht und fliegen los. In einer leicht tragenden Linie schaffen wir es, den Höhenverlust für die fast 100km vom Praded bis kurz vor Vitkov und zurück auf knapp 2000m zu begrenzen.

Blick auf den inzwischen schneebedeckten Praded

Es folgt wieder der Aufstieg in der Welle am Serak, die immer noch nur einen Meter bringt. In der Zwischenzeit ging mir nur durch den Kopf, wie man jetzt weiterfliegt, da im Funk von allen Ecken zu hören war, daß das Eulengebirge auch immer noch zu ist. Während wir jedoch wieder am Praded ankamen, lichteten sich die grauen Wolken nach Nordwesten etwas. Neugierig wurde beschlossen, sich das aus der Nähe anzusehen.

Also ging der Kurs aus 4200m wieder entlang der Langen Welle Richtung Eulengebirge. Leider brachte die Lange Welle diesmal gar nix, so daß wir uns recht frustriert in knapp 3000m am Eulengebirge ohne Steigen wiederfanden. Nun war eine schnelle Entscheidung gefragt. Rumdrehen und wieder zum Serak? Das wird spannend aus der Höhe... Oder alles auf eine Karte und den Sprung wagen, in der Erwartung, dann tief in den Rotoren im Riesengebirge einzusteigen?

Wir entschieden uns, da die Optik nach Wellen im Riesengebirge aussah, den Sprung zu wagen. Der Deal war einfach: Ich schaue nach dem Wetter und den Wolken und David hält potentielle Außenlandemöglichkeiten im Blick, wo man im Fall der Fälle den Rattel zünden oder landen könnte. Also los.

Wie es dann auch immer wieder ist: Murphys Gesetz der größten Gemeinheit ist doch allgemein gültig. Jetzt, wo wir hätten tragende Linien brauchen können, gab es die nicht, oder wir waren zu doof, sie zu finden. Zudem wollten wir auch nicht gerade von hinten durch die absteigenden Luftmassen in die Wellen einsteigen, sondern selbige lieber von der Seite anschnippeln. So schießen wir gegen 70km/h Wind vorwärts und müssen zusehen, wie die 300m Endanflughöhe auf Jelenia Gora, die uns dazu ermuntert hatten, schnell wegschmelzen.

1500m MSL, knapp 1000m über Grund wird es bei Kamienna Gora spannend. Richtung Jelenia Gora steht uns noch eine Hangkante im Weg, über die wir knapp drüber kämen. Wenn es dann aber eng wird, ist die Gegend nordöstlich des Riesengebirges kleinräumig und hügelig, schlecht zum landen und gerade nicht einsehbar. Aus der Entfernung Jelenia Gora als Plan C zu setzen ist uns auch zu mutig, da es bei erkennbarer Rotortätigkeit auch mal drastisch saufen kann. Also nehmen wir die Felder unter uns, die ausreichend groß sind als Option und fliegen weiter gegen den Wind. Da erscheinen vor uns so ein paar kleine zerrupfte Wolken, über die wir gerade noch drüberkommen. Innerlich hoffe ich darauf, daß die Dinger nicht nur aussehen, wie Rotoren, sondern auch welche sind, ansonsten gehen die segelfliegerischen Optionen langsam zur Neige und man muß ans Motorfliegen denken.

Als wir sie anfliegen, spült es uns erst mächtig vom Himmel - ah, das läßt hoffen. Klingt zwar komisch, aber wenn es leeseitig der Wolken sinkt, dann muß man nur die Nerven und die Fahrt behalten und es geht auf der anderen Seite hoch. Die Erwartung wird nicht enttäuscht und es gelingt uns, etwas nordwestlich von Kamienna Gora ein kleines Wellchen einzufädeln, das uns mit einem Meter aus knapp 1400m auf 2200m bringt. Jetzt reicht die Höhe für den Sprung in die sichtbar vorhandene Riesengebirgswelle.

Zum zweiten Mal in der Riesengebirgswelle

Sowie wir den Lenti auf der Luvseite erreichen, gibt es wieder einen Tritt in den Hintern und es hebt uns diesmal mit 4m/s hoch. Die Welle ist so stark, daß wir keinen Achter machen müssen, sondern das Steigen nur nach Nordwesten im Geradeausflug mitnehmen. Da der nordwestlichste Luftraum eh nur bis FL125 geht, lohnt weiteres Steigen nicht und bei 70km/h Groundspeed bleibt dafür auch noch genug Zeit.

Jelenia Gora aus 3500m fotografiert, darüber der Lenti

Wie bestellt, sind die feuchten Luftmassen jetzt weg und geben die Wellenstrukturen der Berge kurz vor Görlitz frei. Auch hinter dem Isergebirge und dem Jeschkenkamm schaukelt die Luft beeindruckend und bietet ein postkartenreifes Wellenpanorama mit Wolken aus dem Bilderbuch.

Wellen allerorts im Dreiländereck

So können wir uns höhensparsam in den Sekundärwellen bis fast an Görlitz ranschleichen, ehe wir wieder wenden. Mit dem Rückenwind wird der Rückweg zum Riesengebirge einfach. Dort hat sich jetzt der letzte Rest Feuchtigkeit verflüchtigt und gibt den Blick auf glasblauen Himmel und gigantische, wie mit dem Skalpell modellierte Wolkenstrukturen frei.

Rückweg zum Riesengebirge

Näher dran, lassen sich alle Komponenten erkennen: das auslösende Gebirge rechts, die Rotoren am Fuß der Welle sind durch die zerrupften Cumuli erkennbar und über allem thront eine riesige Lenticulariswolke

Riesenlenticularis am Riesengebirge

Dieses außerirdisch anmutende Gebilde spendiert uns dann auf einem Weg von fast 10km hin und her 2m/s Steigen, ohne daß es auch nur einen Zentimeter nachläßt. Dabei gelingt auch ein Foto der Schneekoppe...

Der Name ist Programm, oder?

Weiter zieht uns das Steigen in die Höhe und die Lenticulariswolke in ihren Bann. Ich kann mich nicht erinnern, so ein Monstrum schon einmal aus der Nähe gesehen zu haben. Schicht um Schicht steigen wir an der Erscheinung vorbei und können uns an Details kam sattsehen.

Je höher wir kommen, desto größer wird die Wolke

Es sind bestimmt vier oder fünf Stockwerke, jedes mehrere hundert Meter dick, aus denen die Wolke besteht. Manchmal bleibt auch eine Lücke dazwischen. Einmal versteckt sich da sogar noch eine Kelvin-Helmholtz Welle exakt hinter einer der Lücken und erlaubt uns einen kurzen, verschämten Blick, bis wir vorbeigeklettert sind.

Mir sagte mal jemand, man sähe die nur selten. Häh? Die gibts hier überall...

Obwohl wir eigentlich heute die Meter waagerecht machen wollen, bleiben wir in der starken Welle, so lange es geht. Erstens ist es faszinierend, das Schauspiel der Wolken auch aus der Höhe zu sehen und wir eigentlich den Lenti auch von oben sehen wollen. Zweitens liefert die Welle konstant 2m/s, die wir nirgends anders heute bekamen. Also nutzen wir jeden Meter Höhe, den wir so einfach bekommen können. Nochmal werden wir heute hier nicht vorbeikommen.

6600m, FL220. Und immer noch nicht vorbei...

Weiter und weiter hebt uns die Welle in die oberen Schichten der Troposphäre, bis langsam, aber sicher die obere Luftraumgrenze in FL220 erreicht ist. Der Höhenmesser zeigt uns etwas um die 6600m an, beeindruckend... Das ist nicht nur Rekordhöhe für alle drei - den Arcus, David und mich - sondern auch angesichts des Streckenflugplans völlig unbeabsichtigt. Jetzt müssen wir aber los, grübelnd, bis wohin das Ding wohl noch geht. Der Lenti reichte bestimmt noch bis 7500m und ich vermute vorsichtig, daß die Welle sicher bis 8000, wahrscheinlich sogar bis mehr als 9000m gereicht hätte. Erstens haben wir das aber heute nicht auf dem Plan, zweitens brauchten wir eine Extrafreigabe und drittens haben wir da gerade nicht die richtige, ausreichend redundante Sauerstoffausrüstung mit. Also müssen wir dieses Explorationsprojekt auf eines der kommenden Jahre verschieben.

Jetzt aber geht der Kurs wieder Richtung Altvatergebirge an einer kilometerlangen Wolkenwurst entlang, die immer noch zuverlässig steigt. Um nicht oben aus dem Luftraum zu steigen, lassen wir den Arcus rennen, mit aller Fahrt, die die dünne Luft erlaubt. Mit 200km/h IAS bekommen wir so im Maximum 348km/h über Grund hin, Wahnsinn...

320 Sachen. Das macht doch Meter

So schnell unterwegs, fangen wir das Rechnen an. Wir haben jetzt 650km hinter uns gelassen, es bleiben noch reichlich zwei Stunden Zeit. Was schafft man da noch? 800km sind das schon, allein wenn wir jetzt die Höhe abgleiten. Mit etwas Glück vielleicht schaffen wir 900. Ob es auch reicht, den Milos Pajr vom Thron zu kicken? Keine Ahnung, erst einmal genießen wir den Hochgeschwindigkeitsritt an der Langen Welle entlang, die bilderbuchgerecht bis hinter den Praded steht.

Da steht die Lange Welle vom Riesengebirge bis zum Praded... Was für ein Fest

Wir können es kaum fassen, in welcher Geschwindigkeit wir die Wolken langfräsen. Der Ritt vom Riesengebirge bis zum Praded kostet etwa 1300m, obwohl wir mehr als 130km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 200km/h zurücklegen. Wie kraß ist das denn??! Jetzt kann ich so langsam die Faszination verstehen, die Klaus Ohlmann von solchen Wetterlagen hat. Verglichen mit den Anden stelle ich mir das hier aber fast noch wie einen Sandkasten vor... Tja.

Viel Zeit zum Überlegen bleibt erst einmal nicht. Mit 5300m fliegen wir vom Praded noch einmal die Südostecke aus und kommen, da die tragende Linie nicht auffindbar ist, diesmal mit 2800m Höhenverlust am Altvater wieder an. Jetzt haben wir schon fast 900km voll, aber die Tageslänge macht langsam, aber sicher Probleme. Wir müßten jetzt einen 180km/h Schnitt hinlegen, damit wir noch die 1000km schaffen.

Sportlich gedacht, aber leider ist das heute nicht mehr zu schaffen. Am Praded steigen wir noch ein paar hundert Meter und legen aus 3000m noch einmal Richtung Eulengebirge los. Dort angekommen, gelingt es uns im Geradeausflug noch einmal 500m draufzulegen. In Gedanken mit einem Endanflugschnitt um die 150km/h rechnend, drehen wir dann am Eulengebirge wieder um, damit wir nicht zu spät nach Sonnenuntergang in Mikulovice eintreffen. Mit den Wolken wäre es dort sehr schnell sehr dunkel und da wollen wir lieber nichts für eine handvoll Kilometer mehr riskieren. So schippern wir die 50km bis nach Hause.

Dort kommen wir dann in ca. 600m an, nachdem der Endanflug zwischenzeitlich noch interessant war, da man die gesamte Zeit weiter auf die Vertikalbewegungen der Luft achten muß. Im Gegensatz zum thermischen Endanflug, der am Ende des Tages planbar in ruhiger Luft abgehalten werden kann, ist bei Wellenwetter immer mit Bewegung in der Luft zu rechnen, die einen Endanflug schnell von einer sicheren Sache in die Katastrophe führen kann. Die wellenerprobte Nase in inzwschen bekanntem Terrain geleitet uns dann aber sicher zum Platz.

Dort tritt uns unerwartet ein Rotor direkt über dem Platz in den Allerwertesten...

Eigentlich wollen wir landen, aber der Rotor ist anderer Meinung

Offenbar haben auch die Rotoren Gefallen dem schönen Arcus und uns gefunden und lassen uns nicht runter. Es kostet schon viel Klappenausschlag und wir sortieren uns zur Landung, um den Luxusdampfer als vorletztes Flugzeug weich und sanft auf den Platz zu setzen. 30s nach uns landet nur noch ein polnischer Twin Astir, dann sind alle wieder zu Hause.

Gelandet - nach einem absolut unglaublichen, nicht so erwartbaren Tag.

Das Bier haben wir uns alle heute redlich verdient. Mit mehr als 9,5 Stunden Flugzeit, 6600m Maximalhöhe und fast 950km ist der Flug der längste, den David und ich je hatten. Zudem haben wir damit Milos Pajr entthront, der bisher seit 2006 den Streckenrekord in dieser Gegend innehat und haben auch dem Arcus die zweitlängste Strecke beschert. Besonders interessant wird dies unter dem Gesichtspunkt, daß das zu einer Zeit stattgefunden hat, in der der Tag keine zehn Stunden mehr lang ist, viele über das miese und stürmische Herbstwetter schimpfen und die meisten Segelflieger das Gerät mangels Thermik schon eingemottet haben, während sie in einer emotionalen Lage zwischen sehnsüchtig bis grollig auf die nächste Saison warten.

Der Flug in skylines

Am Abend wurde der Dampfer dann noch im Schein der Taschenlampen im Anhänger verstaut, da für die Nacht Wind und Regen angedroht war. Da die Bezüge einmal trocken waren, wollten wir sie nicht wieder einsauen. Das war eine weise Entscheidung, so wie es dann gestürmt und vor Regen nur so gejaucht hat. Den Ausklang fand der Tag in einer nahegelegenen Gaststätte bei edlem Essen und einem frisch gezapften tschechischen Bier.

Von diesem Flug werden wir noch eine Weile zehren und träumen, so viel ist sicher...